Einseitiges Rechtsgeschäft – Definition & Beispiele

Einseitiges Rechtsgeschäft

In der juristischen Ausbildung stoßen Studierende immer wieder auf den Begriff des einseitigen Rechtsgeschäfts. Nicht immer ist hierbei klar, was darunter konkret zu verstehen ist und in welchen Fällen ein einseitiges Rechtgeschäft vorliegt. Daher wollen wir in diesem Artikel einseitige Rechtsgeschäfte näher erklären.

 

Einseitiges Rechtsgeschäft

 

Einseitiges Rechtsgeschäft – Definition

 

Unter einem einseitigen Rechtsgeschäft versteht man

 

ein Rechtsgeschäft, das nicht auf eine andere Willenserklärung bezogen ist.

 

(Mansel, in: Jauernig, BGB, 18. Aufl. 2021, Vor § 104 Rn. 5)

 

beziehungsweise

 

ein Rechtsgeschäft, das nur von einem Rechtssubjekt vorgenommen wird.

 

(Dörner, in: Schulze, BGB, 10. Aufl. 2019, Vor §§ 104 ff. Rn. 3)

 

Wie der Name also schon vorgibt, geht es darum, dass nur eine Seite ein Rechtsgeschäft vornimmt. Dies bedeutet auch, dass sich dieses einseitige Rechtsgeschäft nicht auf eine andere Willenserklärung bezieht, wie dies bei Verträgen – also zweiseitigen Rechtsgeschäften – der Fall ist.

Unterschieden werden kann dabei noch, ob die das einseitige Rechtsgeschäfts empfangsbedürftig oder nicht empfangsbedürftig ist.

 

Beispiele

Nun wollen wir uns einmal näher anschauen, in welchen Fällen ein einseitiges Rechtsgeschäft vorliegt. Übrigens wird mit Blick auf einseitige Rechtsgeschäfte unterschieden, ob es sich dabei um empfangsbedürftige oder nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen handelt. Daher wollen wir diese Unterteilung auch hier beibehalten.

 

Beispiele für einseitige, nicht empfangsbedürftige Rechtsgeschäfte

  • Auslobung, vgl. § 657 BGB
  • Aneignung, vgl. § 958 BGB
  • Eigentumsaufgabe, vgl. § 959 BGB
  • Testamentserrichtung, vgl. § 2247 Abs. 1 BGB
  • Bestätigung, vgl. § 144 BGB

 

Beispiele für einseitige, empfangsbedürftige Rechtsgeschäfte

  • Mahnung
  • Kündigung
  • Vollmacht
  • Genehmigung
  • Aufrechnung
  • Anfechtung
  • Widerruf
  • Rücktritt

 

Sie sehen also, dass eine Vielzahl an bekannten Rechtsgeschäften zu den einseitigen Rechtsgeschäften gehören. Insbesondere der Rücktritt oder die Anfechtung gehören zum absoluten Grundlagenwissen im Jura-Studium; als Gestaltungsrechte führen beide übrigens dazu, dass auf das bestehende Rechtsverhältnis durch die einseitige Ausübung gestaltend eingewirkt wird: durch die Anfechtung tritt die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts ex-tunc ein (vgl. § 142 Abs. 1 BGB), durch den Rücktritt wandelt sich das Schuldverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis um (vgl. § 346 Abs. 1 BGB).

 

Besonderheiten bei einseitigen Rechtsgeschäften?

Das BGB hält in der Tat einige Besonderheiten für einseitige Rechtsgeschäfte bereit. An dieser Stelle können wir nicht jedwede Besonderheit darstellen. Wir möchten aber kurz auf zwei besonders relevante Punkte zu einseitigen Rechtsgeschäften eingehen:

  • Zurückweisungsrecht nach § 174 BGB: Hiernach ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Diese Norm spielt vor allem im Arbeitsrecht eine wichtige Rolle, wenn es um Kündigungen geht. Legt dort der Personalverantwortliche, der die Kündigung ausspricht, keine Urkunde vor, aus der sich seine Bevollmächtigung ergibt, kann der betroffene Arbeitnehmer der Kündigung direkt widersprechen (vgl. § 174 S. 1 BGB). Die Kündigung wird dann nicht wirksam, es sei denn, der Arbeitnehmer war i.S.v. § 174 S. 2 BGB über die Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt worden.

 

  • Einseitige Rechtsgeschäfte von Minderjährigen, vgl. § 111 BGB. Diese sind ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters unwirksam. Zu beachten ist, dass dies nur für einseitige Rechtsgeschäfte gilt, die rechtlich nicht lediglich vorteilhaft sind, z.B. die Auslobung oder die Anfechtung. § 111 BGB gilt also nicht für einseitige Rechtsgeschäfte, die rechtlich lediglich vorteilhaft sind, wie z.B. die Mahnung oder die Fristsetzung (vgl. Spickhoff, in: MüKo, BGB, 9. Aufl. 2021, § 111 Rn. 4). Auch im Rahmen von § 111 BGB spielt wieder ein etwaiges Zurückweisungsrecht eines anderen eine Rolle, vgl. § 111 S. 2 und 3 BGB.

 

Wir hoffen, dass euch dieser Beitrag dabei hilft, den Begriff der einseitigen Rechtsgeschäfte nun besser einordnen zu können.

 

Andere Begriffe zum BGB AT mit Beispielen findet ihr hier verständlich erklärt:

 

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