Wenn der Vermieter wegen Eigenbedarfs kündigt, stellt sich nicht selten die Frage, ob der Mieter der Kündigung wegen unbilliger Härte widersprechen und eine Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen kann. Diesen Fall regeln §§ 574 ff. BGB. In diesem Beitrag gehen wir näher darauf ein, wann ein „Härtefall“ der Kündigung des Vermieters tatsächlich entgegenstehen kann – und wie Gerichte diese Frage zuletzt beantwortet haben.
Ausgangspunkt: Ordentliche Kündigung wegen Eigenbedarfs
Ausgangspunkt für die Widerspruchsmöglichkeit des Mieters ist eine ordentliche Kündigung des Vermieters in Bezug auf Wohnraum. Ein sehr häufiger Fall der ordentlichen Kündigung, die auch hier im Zentrum stehen soll, ist die Eigenbedarfskündigung des Vermieters. Diese ist in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB geregelt. Hiernach kann der Vermieter ein Mietverhältnis ordentlich kündigen, wenn er die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.
Grenze der Eigenbedarfskündigung bei Härtefall
Eine Eigenbedarfskündigung des Vermieters gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB unterliegt Schranken. Eine solche Schranke kann in schützwürdigen Interessen des Mieters liegen, die den Interessen des Vermieters in sogenannten Härtefällen vorgehen können. Die insoweit relevante Vorschrift des § 574 Abs. 1 S. 1 BGB formuliert dies so:
Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.
Wann eine solche Härte für den Mieter besteht, war schon des Öfteren Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen. Als Grundlinie kann hierbei gelten, dass „nur solche für den Mieter mit einem Umzug verbundenen Nachteile als Härtegründe iSd § 574 Abs. 1 S. 1 BGB in Betracht kommen, die sich von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten deutlich abheben.“ (BGH, Urteil vom 3.2.2021 – VIII ZR 68/19).
Hohes Alter per se ein Härtefall?
Zu dieser Frage hat sich der BGH in dem eben zitierten, aktuellen Urteil (BGH, Urteil vom 3.2.2021 – VIII ZR 68/19) erneut klar positioniert. Der BGH führt aus:
- Das hohe Alter eines Mieters begründet ohne weitere Feststellungen zu den sich hieraus ergebenden Folgen für den betroffenen Mieter im Fall eines erzwungenen Wohnungswechsels grundsätzlich noch keine Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 S. 1 BGB. Denn das hohe Alter eines Menschen wirkt sich je nach Persönlichkeit und körperlicher sowie psychischer Verfassung unterschiedlich aus (BGH, a.a.O., Rn. 28).
- Das hohe Lebensalter kann aber in Verbindung mit weiteren Faktoren eine Härte begründen. Zu diesen zusätzlichen Umständen gehören etwa: Die auf einer langen Mietdauer beruhenden tiefen Verwurzelung des Mieters in seiner Umgebung sowie insbesondere eine Erkrankung des Mieters, aufgrund derer im Fall seines Herauslösens aus der Wohnumgebung eine Verschlechterung seines gesundheitlichen Zustands zu erwarten steht (BGH, a.a.O., Rn. 29).
- Im Einzelfall kann auch alleine der Gesundheitszustand des Mieters einen Härtefall begründen, und zwar, wenn der Gesundheitszustand einen Umzug nicht zulässt oder wenn im Fall eines Wohnungswechsels zumindest die ernsthafte Gefahr besteht, dass sich die gesundheitliche Situation des (schwer) erkrankten Mieters weiter verschlechtert (BGH, a.a.O., Rn. 29).
- Maßgeblich ist letztlich eine Abwägung zwischen den Interessen des Vermieters und des Mieters im konkreten Einzelfall.
Im entschiedenen Fall genügte dem BGH der Hinweis auf das hohe Alter des Mieters (Jahrgang 1932) und auf dessen „soziale Verwurzelung“ nicht. Das hohe Alter begründe per se keinen Härtefall (siehe oben). Auch die soziale Verwurzelung sei nicht hinreichend belegt worden; der bloße Verweis auf eine Mietdauer von 18 Jahren lasse für sich genommen nicht auf eine tiefe soziale Verwurzelung schließen.
Genaue Darlegung des Härtefalls erforderlich
Mit Urteil vom 28.4.2021 – VIII ZR 6/19 hatte der BGH zu entscheiden, welche Anforderungen an eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Annahme eines Härtefalls im Sinne von § 574 Abs. 1 S. 1 BGB zu stellen sind. Im zu entscheidenden Fall kündigte der Kläger wegen Eigenbedarfs, weil er die Wohnung für seine Tochter, die ihr Studium in Berlin begonnen wollte, nutzen wollte. Der im Jahr 1949 geborene bisherige Mieter widersprach der Kündigung und berief sich auf das Vorliegen von Härtegründen: er könne wegen seines Gesundheitszustandes nicht mehr umziehen. Hierzu legte der Mieter verschiedene ärztliche Atteste vor, die ihm eine „Räumungsunfähigkeit“ bescheinigten.
Der BGH monierte, dass das Landgericht als Vorinstanz allein „auf Grundlage der [vom Mieter] vorgelegten Atteste die Überzeugung [bildete], die Beendigung des Mietverhältnisses bedeute aufgrund seines gesundheitlichen Zustands eine Härte für diesen, welche auch unter Würdigung der Vermieterinteressen nicht zu rechtfertigen sei. Vielmehr hätte es der Einholung eines – von beiden Parteien wiederholt als Beweismittel angebotenen – Sachverständigengutachtens zu der Art, dem Umfang und den konkreten Auswirkungen der vom Beklagten behaupteten Erkrankung auf dessen Lebensführung im Allgemeinen und im Falle des Verlusts der vertrauten Umgebung bedurft.“ Und der BGH führt weiter aus: „(…) Erst dies versetzt den Tatrichter in einem solchen Fall in die Lage, sich einerseits von der bestehenden Erkrankung und andererseits von den Konsequenzen, die für den Mieter mit dem Umzug verbunden sind, ein ausreichendes Bild zu machen und diese anschließend im Rahmen der nach § 574 Abs. 1 BGB notwendigen Abwägung sachgerecht zu gewichten.“
Fazit
Es zeigt sich also, dass der BGH durchaus hohe Anforderungen an die Annahme eines Härtefalls stellt. Ein Mieter, der sich auf einen Härtefall beruft und sich so etwa gegen eine Kündigung wegen Eigenbedarfs zur Wehr setzen möchte, hat die Umstände, die den Härtefall aus seiner Sicht begründen, detailliert darzulegen. Zu beachten ist, dass das hohe Alter für sich genommen regelmäßig nicht ausreicht, um einen Härtefall zu belegen; in Verbindung mit anderen Faktoren kann ein Härtefall aber durchaus anzunehmen sein. Ob ein Mieter also wirksam widersprechen und eine Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen eines Härtefalls gemäß § 574 Abs. 1 S. 1 BGB verlangen kann, ist – wie so oft – eine Frage des Einzelfalls.