Ware defekt geliefert – muss Händler defekte Ware abholen?

Ware defekt geliefert

In diesen Fällen muss der Händler defekte Ware zur Reparatur abholen

Wenn Ware defekt geliefert wurde, hat der Käufer nach deutschem Kaufrecht gemäß § 439 Abs. 1 BGB gegenüber dem Verkäufer ein Recht auf Nacherfüllung. Das bedeutet, dass der Käufer nach seiner Wahl Beseitigung des Mangels oder Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen kann. Gemäß § 439 Abs. 2 BGB hat der Verkäufer dabei die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen wie Transport- oder Materialkosten zu tragen. Gesetzlich nicht eindeutig geregelt ist jedoch die Frage, an welchem Ort die Nacherfüllung – also beim Verkäufer oder Käufer – erfolgen muss. Wir widmen uns in diesem Beitrag unter anderem also der Frage, in welchen Fällen der Händler defekte Ware zur Reparatur abholen muss.

 

Ware defekt geliefert
Ware defekt geliefert? Im sogenannten „Partyzelt-Urteil“ hat der EuGH Kriterien dafür aufgestellt, wann der Ort der Nacherfüllung beim Verkäufer und wann beim Käufer liegen soll. 

 

Was tun, wenn Ware defekt ankommt?

Grundsätzlich ist der Verkäufer der erste Ansprechpartner, denn der Käufer hat gemäß § 439 Abs. 1 BGB gegen den Verkäufer einen Anspruch auf Nacherfüllung. Sie können als Käufer grundsätzlich wählen, ob der Verkäufer den Mangel durch Nachbesserung beheben soll oder ob Sie die Neulieferung einer mangelfreien Sache wählen. Der Anspruch auf Nacherfüllung verjährt dabei in der Regel gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB zwei Jahre nach Ablieferung der Ware beim Käufer. Innerhalb dieses 2-Jahres-Zeitraums muss der Käufer den Anspruch auf Nacherfüllung also beim Verkäufer geltend machen.

 

Ware defekt geliefert – Nacherfüllung an welchem Ort?

An welchem Ort die Nacherfüllung erfolgen soll, ist im deutschen Kaufrecht nicht ausdrücklich geregelt. Allerdings wendet die deutsche Rechtsprechung für die Frage des Ortes der Nacherfüllung regelmäßig § 269 BGB („Leistungsort“) an. Danach sind vorrangig etwaige Vereinbarungen der Parteien zur Frage des Ortes maßgeblich. Liegen derartige Vereinbarungen nicht vor, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Natur des Schuldverhältnisses an. Im Zweifel galt danach als Ort der Nacherfüllung der Wohnsitz bzw. die gewerbliche Niederlassung des Schuldners bzw. Verkäufers. In diesem Fall ist es also Sache des Käufers die Ware zurückzuschicken bzw. anderweitig zum Verkäufer zu transportieren.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) musste sich erst kürzlich in einem Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV mit der Frage des Ortes der Nacherfüllung erneut auseinandersetzen (vgl. EuGH, Urteil vom 23.05.2019, C-52/18). Die Frage wurde dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt, da es hierbei um die Auslegung von Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments geht, die unter anderem in § 269 BGB in deutsches Recht umgesetzt wurde. Das vorlegende AG Norderstedt hielt die bisherige Rechtsprechung zu § 269 BGB für nicht mit Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie vereinbar, da die Organisation des Rücktransports durch den Käufer eine „erhebliche Unannehmlichkeit“ bedeuten könne.

In dem dem Urteil des EuGH zugrunde liegenden Rechtsstreit hat der Kläger (Käufer) vom Beklagten (Verkäufer) ein fünf mal sechs Meter großes Partyzelt gekauft. Das Partyzelt erwies sich nach Ablieferung als mangelhaft und der Käufer verlangte vom Verkäufer die Nacherfüllung, hier Beseitigung des Mangels, an seinem Wohnsitz. Das verweigerte der Verkäufer jedoch und war der Ansicht, dass der richtige Ort für die Beseitigung des Mangels sein Geschäftssitz sei, der Käufer das kaputte Partyzelt also zunächst zurückschicken müsse.

In seinem Urteil legte der EuGH dar, dass es nach Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie entscheidend sei, dass dem Käufer als Verbraucher keine erheblichen Unannehmlichkeiten entstünden, die ihn von der Durchsetzung seiner Ansprüche abhalten könnten. Dabei komme es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Insbesondere sei jedoch eine erhebliche Unannehmlichkeit zu erwarten, wenn die Ware besonders schwer, sperrig oder zerbrechlich ist oder die Anforderungen an den Rücktransport besonders komplex sind (EuGH, Urteil vom 23.05.2019, C-52/18, Rn. 43). In diesen Fällen soll also der Ort der Nacherfüllung am Wohnsitz des Käufers sein. Das bedeutet, dass der Verkäufer eine solche Ware entweder direkt vor Ort beim Käufer reparieren muss (z.B. auch durch Kundendienst vor Ort) oder sich selbst um den Rücktransport zu seinem Geschäftssitz kümmern muss. Bei kompakten Waren, die leicht versendet werden können, verbleibt der Ort der Nacherfüllung dagegen beim Verkäufer, da dem Käufer mit der Organisation des Rücktransports keine erheblichen Unannehmlichkeiten entstehen (EuGH, Urteil vom 23.05.2019, C-52/18, Rn. 44). Die Kosten für den Rücktransport kann der Verkäufer aber gemäß § 439 Abs. 2 BGB vom Verkäufer ersetzt verlangen, wobei jedoch im Regelfall kein Anspruch auf einen Kostenvorschuss durch den Verkäufer besteht (EuGH, Urteil vom 23.05.2019, C-52/18, Rn. 56). 

 

Wann kann ich ein defektes Gerät zurückgeben?

Grundsätzlich können Sie das Gerät innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Übergabe bzw. Ablieferung des Geräts bei Ihnen dem Verkäufer zurückgeben und nach Ihrer Wahl ein mangelfreies Gerät oder Reparatur des mangelhaften Geräts verlangen (vgl. § 439 Abs. 1 BGB). Im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs (vgl. 474 ff. BGB) – handelt der Käufer also im Rahmen des Vertragsschlusses als Verbraucher (§ 13 BGB) und der Verkäufer als Unternehmer (§ 14 BGB) – spielen die ersten sechs Monate seit Übergabe des Geräts eine entscheidende Rolle. Tritt der Mangel nämlich innerhalb der ersten sechs Monate auf, so stellt das Gesetz in § 477 BGB die Vermutung auf, dass der Mangel am Gerät schon bei Übergabe an Sie als Käufer bestand. Es läge also am Verkäufer, das Gegenteil zu beweisen. Nach sechs Monaten bis zum Ablauf der Verjährungsfrist von zwei Jahren trägt dagegen der Käufer die Beweislast dafür, dass der Mangel am Gerät schon bei Übergabe bestand. Dieser Beweis kann im Zweifel aufwendig sein, da er oft ein Gutachten erfordert.

 

Zusammenfassung – Abholpflicht bei defekt gelieferter Ware

Wenn Ware vom Verkäufer defekt geliefert wird, steht dem Käufer im Rahmen des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts ein Anspruch auf Nacherfüllung zu. Verkäufer und Käufer können im Kaufvertrag oder anderweitig eine Vereinbarung darüber treffen, wo der (Leistungs-)Ort der Nacherfüllung im Sinne des § 269 BGB liegen soll. Treffen Verkäufer und Käufer keine Vereinbarung, dann liegt bei kompakten und leicht zu versendender bzw. zu transportierender Ware der Ort der Nacherfüllung beim Verkäufer. Der Käufer muss also den Rücktransport der Ware organisieren, kann aber dafür im Nachhinein die Kosten hierfür vom Verkäufer gemäß § 439 Abs. 2 BGB ersetzt verlangen. Im Fall von zu erwartenden erheblichen Unannehmlichkeiten im Rahmen des Rücktransports durch den Käufer – insbesondere bei sehr schwerer, sperriger oder zerbrechlicher Ware – liegt der Ort der Nacherfüllung beim Käufer. Der Verkäufer muss dann die Ware vor Ort beim Käufer reparieren oder die Ware zur Reparatur abholen bzw. den Rücktransport organisieren.

1 Kommentar zu „Ware defekt geliefert – muss Händler defekte Ware abholen?“

  1. Mittlerweile ist ja die Mangelvermutung des § 477 BGB beim Verbrauchsgüterkauf auf ein Jahr seit Gefahrübergang erweitert worden, was für Verbraucher natürlich ein großer Vorteil ist.

    Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Käufer einen Vorschuss für die Rücksendung der Ware verlangen kann, § 475 IV BGB.

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