Nachbarrecht & Nachbarrechtsgesetze » das müssen Sie wissen

Nachbarrecht

Streitigkeiten zwischen Nachbarn sind keine Seltenheit. Entsprechend groß ist auch das Bedürfnis vieler, sich über die Rechte, die ihnen in Nachbarschaftsverhältnissen zustehen, zu informieren. Wir möchten Ihnen mit diesem ausführlichen Beitrag einen Überblick über die wichtigsten Rechte und Rechtsquellen im Hinblick auf Nachbarschaftsverhältnisse liefern. Natürlich verlinken wir hier auch beliebte Themen zum Nachbarrecht, über die Sie sich noch näher informieren können.

Beliebte Themen zum Nachbarrecht

 

Was ist Nachbarschaftsrecht?

Das Nachbarschaftsrecht (auch: Nachbarrecht) regelt die Rechtsverhältnisse zwischen Nachbarn und/oder im Verhältnis zu Dritten. Das Nachbarrecht gibt also Aufschluss darüber, welche Rechte in nachbarschaftlichen Verhältnissen bestehen, wie weit diese reichen und welche Grenzen insoweit bestehen.

Grundsätzlich wird zwischen dem privaten und dem öffentlichen Nachbarrecht unterschieden. Beide Rechtsgebiete wollen wir Ihnen nachfolgend vorstellen.

Einen ersten Eindruck zum Aufbau und zu den Rechtsquellen des Nachbarrechts liefert Ihnen diese Grafik:

Nachbarrecht Übersicht

 

Privates Nachbarrecht im BGB

Das private Nachbarrecht regelt das (private) Rechtsverhältnis zwischen Nachbarn, etwa wenn Äste des Nachbarn auf das eigene Grundstück herüberragen oder wenn laute Geräusche oder übel riechende Gerüche vom Nachbargrundstück ausgehen.  Hier geht es also nicht um öffentlich-rechtliche Fragen, wie etwa dem Anfechten einer Baugenehmigung, die der Nachbar erhält. Im Bürgerlichen Gesetzbuch finden sich die maßgeblichen Vorschriften hierzu in den §§ 903 bis 924 BGB. Daneben sind die landesrechtlichen Nachbargesetze von entscheidender Bedeutung, auf die wir weiter unten eingehen.

Ausgangspunkt für das private Nachbarrecht im BGB ist § 903 S. 1 BGB: Hiernach kann der Eigentümer des Grundstücks damit im Grundsatz nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Wichtig ist aber folgende Einschränkung: „soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen“. Dies zeigt bereits, dass die Eigentümerrechte nicht schranklos bestehen. Und auch der Nachbar, der wiederum Eigentümer seines Grundstücks ist, kann sich natürlich auf seine Eigentumsfreiheit berufen. Zwischen diesen Nachbarrechten ist somit ein sachgerechter Ausgleich zu finden.

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) hält für diesen Ausgleich zahlreiche Regelungen bereit. Die zentralen Normen des privaten Nachbarrechts sind die Duldungspflichten aus den §§ 906 ff. BGB sowie als Instrument zur Sicherstellung bzw. Durchsetzung der nachbarrechtlichen Pflichten der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB.

Die wohl wichtigsten Regelungen im privaten Nachbarrecht des BGB sind die folgenden:

  • Regelung zu Immissionen, also im Hinblick auf unkörperliche Stoffe (z.B. Geräusche, Gerüche), die von einem Grundstück auf das andere einwirken. Solche Einwirkungen hat der Nachbar nach Maßgabe des 906 BGB unter Umständen zu dulden (etwa bei nur unwesentlicher Beeinträchtigung oder wenn ortsüblich).
  • Regelung zum Überhang von Zweigen oder Wurzeln (vgl. § 910 BGB).
  • Regelung zu Früchten, die von einem auf das andere Grundstück hinübergefallen sind (sog. Überfall, vgl. § 911 BGB).
  • Regelung zum Überbau (vgl. § 912 BGB).
  • Regelung zum sog. „Notweg“, wenn einer der Nachbarn die öffentliche Straße nur unter Benutzung des privaten Grundstücks des anderen Nachbarn erreichen kann (vgl. §§ 917, 918 BGB).
  • Grenzregelungen gemäß §§ 919 ff. BGB.

 

Die Nachbarrechtsgesetze der Länder

Da das Nachbarrecht seit jeher stark regional geprägt war, haben sich die meisten Bundesländer seit den späten 1950er Jahren nach und nach dazu entschieden, eigene Nachbarrechtsgesetze (NRG) zu verabschieden. Den Anfang in Sachen eigenes Nachbargesetz machte Baden-Württemberg im Jahr 1959. Mittlerweile haben alle Bundesländer mit der Ausnahme von Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern ein eigenes Nachbarrechtsgesetz, Bayern hat entsprechende Regelungen im Ausführungsgesetz zum BGB.

Die Nachbarrechtsgesetze enthalten im Wesentlichen Regelungen zum baulichen und pflanzlichen Nachbarrecht. Tatsächlich finden sich darin besonders relevante Regelungen, etwa zur Grenzbepflanzung, Zäunen, Abstandsflächen oder zum Notleitungsrecht.

Hier einige Beispiele:

  • Nach Art. 47 I des Bayerischen Nachbarrechtsgesetzes (eigentlich: Gesetz zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze) kann der Eigentümer verlangen, dass „dass auf einem Nachbargrundstück nicht Bäume, Sträucher oder Hecken, Weinstöcke oder Hopfenstöcke in einer geringeren Entfernung als 0,50 m oder, falls sie über 2 m hoch sind, in einer geringeren Entfernung als 2 m von der Grenze seines Grundstücks gehalten werden.“ Maßgeblich für die Messung ist der Fuß der baulichen Anlage bzw. der Pflanze. Problematisch wird es dann, wenn zwischen den Grundstücken Höhenunterschiede bestehen. Der BGH entschied hierzu 2016 in Bezug auf Grenzbepflanzung, dass vom höher gelegenen Grundstück aus zu messen ist (BGH, Urteil vom 2.6.2017 – V ZR 230/16).
  • Auch in Sachen Zäune enthalten viele Nachbarrechtsgesetze zentrale Regelungen. So regelt etwa § 21 des Berliner Nachbarrechtsgesetzes, dass jeder Nachbar von dem jeweils anderen Nachbarn die Einfriedung seines Grundstücks verlangen kann; dabei hat jeder Nachbar die Grenze zum rechtsseitig angrenzenden Nachbar einzufrieden.

 

Nachbarrecht Zaun
Regelungen zu Nachbarzäunen finden Sie insbesondere in den Nachbarrechtsgesetzen der Länder.

 

Nachfolgend verlinken wir Ihnen alle Gesetzestexte zu den Nachbarrechtsgesetzen der Bundesländer.

 

 

Öffentliches Nachbarrecht

Beim öffentlichen Nachbarrecht geht es dagegen um den Rechtsschutz eines Nachbarn, der sich gegen ein Bauvorhaben auf einem Nachbargrundstück zur Wehr setzt. Typischerweise möchte sich der Nachbar dabei gegen eine Baugenehmigung seines Nachbarn wenden.

Zentrale Voraussetzung ist hierbei, dass der rechtsschutzsuchende Nachbar in einem sogenannten subjektiven-öffentlichen Recht verletzt ist. Das ist nur der Fall, wenn er geltend machen kann, dass das Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück gegen solche Normen des öffentlichen Baurechts verstößt, die zumindest auch ihn als Nachbarn schützen sollen.

Im Baugesetzbuch, das als Bundesgesetz in der ganzen Bundesrepublik gilt, finden sich in den §§ 30 ff. BauGB wichtige Vorschriften, die auch dem Nachbarschutz dienen. Daneben enthalten alle Landesbauordnungen (LBO) nachbarschützende Vorschriften, zum Beispiel zu Abstandsflächen. Hier ist zu beachten, dass die alle Bundesländer eigene Landesbauordnungen erlassen haben und die Nummerierung und Inhalt der nachbarschützenden Normen mitunter variieren.

 

Verzahnung von privatem und öffentlichem Nachbarschaftsrecht?

Wenngleich das private und öffentliche Nachbarrecht grundsätzlich selbstständig und gleichrangig nebeneinander stehen, zeigt sich in gewissem Maße auch eine Verzahnung der beiden Bereiche. Denn eine Verletzung von öffentlich-rechtlichen nachbarschützenden Vorschriften kann gemäß § 1004 BGB einen Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch oder aber eine Schadensersatzpflicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB begründen (Brückner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 903 Rn. 61).

 

Wir hoffen, dass Ihnen die obige Übersicht einen guten Eindruck vom Nachbarrecht vermittelt. Die große Bedeutung des privaten Nachbarrechts samt den Nachbarrechtsgesetzen der Länder führt dazu, dass sich der Bürger seine Nachbarrechte selbst wahrnehmen und durchsetzen muss – und nicht eine Behörde. Entsprechend sollten Sie sich bei nachbarrechtlichen Streitigkeiten regelmäßig an einen Anwalt für Nachbarrecht wenden, um Ihr Rechtsanliegen bestmöglich verfolgen zu können.

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