Baulärm ist nicht schön, aber oft nicht zu vermeiden. Wir wollen die Frage der Mietminderung wegen Baulärm ausführlich insbesondere anhand der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beleuchten. Dabei gehen wir natürlich auch darauf ein, in welcher Höhe Mieter in diesen Fällen mindern können. Darüber hinaus klären wir unter anderem die Frage, ob Baulärm samstags oder sogar sonntags zulässig ist bzw. ob es auch für Baulärm Ruhezeiten gibt.
Ist eine Mietminderung bei Baulärm möglich?
Dies ist möglich, ja, denn Baulärm kann einen Mangel der Mietsache darstellen. Dann tritt – sofern die weiteren Voraussetzungen der Mietminderung vorliegen – automatisch eine entsprechende Kürzung der Miete ein. Wann aber liegt in diesen Fällen ein Mangel vor?
Hierzu ist zunächst auf vertragliche Vereinbarungen der Mietparteien (also den Mietvertrag) abzustellen. Hier kann beispielsweise geregelt sein, dass der Mieter für die Dauer von bestimmten Bauarbeiten in einer bestimmten Höhe die Miete mindern darf.
Häufig fehlt es aber an einer Regelung zur Minderung im Mietvertrag. Dann ist aber gleichwohl eine Minderung möglich, denn die Minderung tritt, wie bereits erwähnt, von Gesetzes wegen ein, wenn die Tauglichkeit der Mietsache aufgrund eines Mangels gemindert oder gar aufgehoben ist. Dies regelt § 536 Abs. 1 BGB.
Ein Mietmangel liegt grundsätzlich vor, wenn die Beschaffenheit der Mietsache von einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand abweicht. Maßgeblich ist dabei, wenn der Mietvertrag insoweit nichts regelt, die Verkehrsanschauung. Danach
Für die Frage, ob der konkrete Baulärm von einer Baustelle in der Nachbarschaft überhaupt einen Mangel darstellt, kommt es zunächst auf Art und Umfang der sogenannten Geräuschimmissionen an. Lediglich Immissionen, die über das gewöhnliche und allgemeinverträgliche Maß hinausgehen, können einen Mangel an der Mietsache darstellen (vgl. auch § 536 Abs. 1 Satz 3 BGB). Die Wohnqualität muss also erheblich beeinträchtigt werden, was beispielsweise bei regelmäßiger Störung der Nachtruhe der Fall ist. Zudem begründen – bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarungen – erhöhte Geräuschimmissionen keinen Mangel, wenn auch der Vermieter die Geräuschimmissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit gemäß § 906 BGB hinnehmen muss. Dem Vermieter dürfe nämlich nicht einseitig das Risiko einer lärmintensiven Nutzungsänderung auf einem benachbarten Grundstück – hier in Gestalt von Bauarbeiten zur Errichtung eines Neubaus – zugewiesen werden (BGH, Urteil vom 29.04.2020, VIII ZR 31/18).
Weiter kann es für Frage des Vorliegens eines Mangels der Mietsache eine Rolle spielen, ob der Mieter vor Vertragsabschluss von den Bauarbeiten wusste (vgl. hierzu LG Berlin, Urteil vom 10.2.2012 – 63 S 206/11) oder er zumindest damit rechnen musste, dass in absehbarer Zeit in der Nachbarschaft gebaut wird (vgl. u.a. OLG München, Urteil vom 26.03.1993, 21 U 6002/92). Ob hinreichende Anhaltspunkte für einen zeitnahen Baustart in der Nachbarschaft vorliegen und der Mieter das erkennen muss, ist eine Frage des Einzelfalls.
Kann der Mieter vor dem Hintergrund des BGH-Urteils von 2020 wegen Baulärm überhaupt noch mindern?
Ja, das ist weiterhin möglich, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- zunächst muss der Mieter einen erheblichen Mangel der Mietsache aufgrund des Baulärms im Sinne von § 536 Abs. 1 nachweisen. Hierzu bedarf es auch der Darlegung und bei Bestreiten des Beweises, dass es sich bei dem Lärm um eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 906 Abs. 1 S. 1 BGB handelt. Denn diese Umstände liegen im Wahrnehmungsbereich und damit – hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast – auch im Verantwortungsbereich des Mieters (BGH, Urteil vom 29.04.2020, VIII ZR 31/18, Rn. 75).
- gelingt es dem Vermieter in der Folge nicht, nachzuweisen, dass (1) die Störung unwesentlich ist oder (2) er die Störung ohne Abwehrmöglichkeit oder Entschädigung hinnehmen muss, dann kommt eine Minderung wegen Baulärm weiterhin in Betracht.
Was genau muss der Mieter in diesen Fällen beweisen?
Der BGH äußerst sich in seinem Urteil von 2020 (BGH, Urteil vom 29.04.2020, VIII ZR 31/18 Rn. 83 ff.) auch näher dazu, was der Mieter in den Fällen des Baulärms konkret darlegen bzw. nicht darlegen muss:
- der Mieter muss weder ein Lärmprotokoll noch das Ergebnis einer Messung des von den Bauarbeiten ausgehenden Schalldruckpegels in Dezibel (dB) vorlegen.
- der Mieter genügt seiner Darlegungspflicht schon damit, dass er den konkreten Sachmangel, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt, darlegt.
- das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung (oder einen bestimmten Minderungsbetrag) braucht der Mieter hingegen nicht vorzutragen; es genügt eine hinreichend genaue Beschreibung der Mangelerscheinungen (sogenannte „Mangelsymptome“). Eine solche Beschreibung der Mangelsymptome wäre etwa, wenn der Mieter ausführt, dass er zu bestimmten Zeiten am Tag, in einer bestimmten Häufigkeit nicht in Ruhe telefonieren oder arbeiten kann, weil er aufgrund des Lärms kaum etwas versteht oder sich nicht konzentrieren kann. Es reicht also, wenn der Mieter die Art, die jeweilige Dauer und die grobe Frequenz der Lärmbeeinträchtigungen sowie die betroffenen Tageszeiten vorträgt. Aus Beweisgründen empfiehlt es sich, dass der Mieter diese Zeiten genau dokumentiert, auch wenn ein Lärmprotokoll nach Ansicht des BGH nicht zwingend notwendig ist.
Was muss der Vermieter in diesen Fällen beweisen?
Wie oben bereits angedeutet, muss der Vermieter – sofern der Mieter seiner Darlegungs- und Beweislast nachkommt – in diesen Baulärm-Fällen dann beweisen, dass ihm weder ein Abwehranspruch noch ein Entschädigungsanspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB gegen den Verursacher des Lärms zusteht. Diese Darlegungs- und Beweislast trifft den Vermieter, weil es insoweit um Tatsachen geht, die seinem Verantwortungsbereich entstammen. Der Mieter hat nämlich regelmäßig keinen Einfluss auf das Rechtsverhältnis des Vermieters zum Lärmverursacher (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2020, VIII ZR 31/18 Rn. 89 ff.)
Wie hoch ist die Mietminderung bei Baulärm?
Die konkrete Höhe der Minderung ist immer eine Frage des Einzelfalls, denn es kommt auf die Intensität bzw. den Grad der konkreten Beeinträchtigung an. Minderungstabellen (zum aus dem Internet) können zwar einen Anhaltspunkt für die Höhe der Minderung bieten, sie sollten aber nicht einfach ungeprüft übernommen werden. In der Rechtsprechung wurde je nach Einzelfall beispielsweise auf folgende Minderungsquoten bei Baulärm erkannt:
- Das LG Berlin entschied, dass im Falle von Bauarbeiten vor einem Modegeschäft mit Presslufthammer und Bagger eine Minderung in Höhe von 15 % angemessen sei (LG Berlin, Urteil vom 13.02.2003 – 67 S 277/02).
- Das OLG Frankfurt urteilte, dass das Aufstellen zahlreicher Baucontainer und weiterer Einrichtungen einer Baustelle auf einem Parkplatzbereich sowie das Anfahren von Lkw und Baufahrenzeugen auf der in unmittelbarer Nähe zu einer Großbaustelle gelegenen kleinen Nebenstraße ein Geschäft, das besonders auf Laufkundschaft angewiesen sei, zu einer Minderungsquote in Höhe von 15 % berechtige (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 11.2.2015 – 2 U 174/14).
- Für den Abriss eines Gebäudes und die Errichtung eines Neubaus hat das AG Hamburg-Blankenese eine Minderungsquote von 6 % für angemessen erachtet (AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 26.02.2003, 517 C 175/02).
- Auf eine Minderungshöhe von 15 % hat das LG Berlin in einem Fall erkannt, in dem auf dem Nachbargrundstück ein Gebäudekomplex mit 217 Wohnungen und einer Tiefgarage mit 164 Parkplätzen errichtet wurden (LG Berlin, Urteil vom 7.6.2017 – 18 S 211/16).
Lassen Sie sich bei der Mietminderung wegen des Baustellen-Lärms im Zweifel von einem auf Mietrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten. Denn wenn Sie zu viel mindern, kann der Vermieter auf Zahlung der ausstehenden Miete klagen und schlimmstenfalls die Wohnung sogar fristlos kündigen.
Tipp: Wenn Sie sich auch über anderen Fragen zum Mietrecht informieren möchten, etwa zur Frage, ob bei einer defekten Klingel oder wann generell eine Mietminderung möglich ist, dann klicken Sie sich dort gerne rein.
Gibt es für Baulärm auch Ruhezeiten?
Die gute Antwort ist: Ja, es gibt auch für Baulärm Ruhezeiten. Die werktäglichen Ruhezeiten sind in der Regel mindestens von 22-6 Uhr, sowie 13-15 Uhr als Mittagsruhe angesetzt. Sonn- und Feiertage gelten als Ruhetag, der Samstag dagegen gilt als normaler Werktag. In der Regel werden die Ruhezeiten ohnehin eingehalten, insbesondere wenn die Nachbargrundstücke vornehmlich dem Wohnen dienen. Allerdings kann in Ausnahmefällen auch zulässiger Baulärm vom Nachbarn in den Ruhezeiten auftreten, wenn eine spezielle Genehmigung hierfür erteilt wurde. Während der Ruhezeiten ist Baulärm jedoch auf ein absolutes Minimum zu beschränken.
Zusammenfassung
Baulärm stellt für viele Mieter hin und wieder ein Ärgernis dar. Eine Mietminderung ist dabei nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Voraussetzung für die Mietminderung ist jedoch ein Mietmangel i.S.d. § 536 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB. Das Vorliegen des Mangels hat der Mieter darzulegen und bei Bestreiten des Vermieters auch zu beweisen. Dazu gehört auch der Nachweis, dass es sich um eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 906 Abs. 1 S. 1 BGB handelt. Ausreichen hierfür ist es, dass der Mieter die Art, die Dauer und ungefähre Frequenz der Lärmbeeinträchtigungen samt der betroffenen Tageszeiten vorträgt. Wenn der Mieter dies darlegen bzw. nachweisen kann, wäre eine Minderung gleichwohl ausgeschlossen, wenn der Vermieter darlegen und beweisen kann, dass ihm keine Entschädigungs- und Abwehransprüche gegen den Verursacher des Lärms zustehen. Gelingt dies dem Vermieter nicht, ist eine Mietkürzung möglich.
Kommt eine Mietminderung aufgrund des Vorliegens eines Mangels grundsätzlich in Betracht, ist die Höhe der Minderung eine Frage des konkreten Einzelfalles, wobei vor allem die Intensität bzw. der Grad der Beeinträchtigung der Wohnqualität berücksichtigt werden. Beispiele aus der Rechtsprechung dafür, wie hoch die Mietminderung wegen Baulärm im Einzelfall sein kann, haben wir oben vorgestellt.
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