Angesichts der schrecklichen Bilder aus dem Russland-Ukraine-Krieg und der zunehmenden Flüchtlingswelle stellen sich viele die Frage, ob sie Ukraine-Flüchtlinge privat bei sich aufnehmen können. Die kurze Antwort lautet: Ja, können Sie und sollten Sie, sofern Sie die Möglichkeit dazu haben! Denn bereits zum jetzigen Zeitpunkt stoßen viele staatliche und private Hilfseinrichtungen an ihre Kapazitätsgrenzen. Bei aller Hilfsbereitschaft kann dennoch das geltende Recht nicht völlig außer Acht gelassen werden. Wir erläutern Ihnen alles Wichtige, damit Sie Flüchtlinge aus der Ukraine ohne rechtliche Hindernisse privat bei sich aufnehmen können.
Ukraine-Flüchtlinge: Kann ich Ukrainer aufnehmen?
Ja, können Sie. Ausnahme: Unbegleitete minderjährige Kinder und Jugendliche. Für sie ist primär das jeweilige Landesjugendamt zuständig und eine Aufnahme von Kindern oder Jugendlichen kommt auch nur nach Rücksprache mit dem Jugendamt in Betracht.
Flüchtlinge aus der Ukraine können aufgrund einer EU-Verordnung in jedem Fall für 90 Tage visumsfrei nach Deutschland einreisen. Darüber hinaus soll Kriegsflüchtlingen nach einem EU-Ratsbeschluss – zunächst auf ein Jahr befristet – eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilt werden. Sowohl im Rahmen der visumsfreien Einreise als auch im Rahmen der Aufenthaltserlaubnis steht es den Menschen aus der Ukraine frei, selbst zu wählen, wo sie wohnen möchten. Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass es entsprechende Angebote und Kapazitäten gibt (vgl. auch § 24 Abs. 5 AufenthG).
Neben dem Aufenthalt in staatlichen Unterkünften und Unterkünften von privaten Hilfsorganisationen steht auch einer privaten Unterkunft bei Verwandten, Bekannten oder fremden Personen rechtlich nichts im Wege. Sie sind auch nicht verpflichtet, die private Aufnahme von Menschen aus der Ukraine beim Staat zu melden.
Im Netz gibt es bereits eine Vielzahl an Vermittlungsportalen, bei der Sie Ihre private Unterkunft einstellen können, um Flüchtlinge aufzunehmen. Für die Vermittlungsportale ist es meist unerheblich, ob Sie nur eine Couch, ein Gästezimmer, eine Wohnung oder Ihr Haus als Unterkunft bereitstellen können. Rechtlich können sich jedoch erhebliche Unterschiede ergeben. Es macht rechtlich insbesondere einen Unterschied, ob Sie Ihr Eigentum – beispielsweise Haus oder Eigentumswohnung – oder eine Mietwohnung für die Aufnahme von Ukraine-Flüchtlingen privat anbieten. Im Folgenden werden wir daher erläutern, in welcher Form und wie lange eine private Aufnahme von Flüchtlingen im Einzelfall rechtlich zulässig ist.
Unterkunft für Ukraine-Flüchtlinge in Eigentumswohnung bzw. Eigenheim
Steht eine Wohnung oder ein Haus in Ihrem Eigentum, so können Sie frei darüber entscheiden, ob und wie lange Sie Flüchtlinge aus der Ukraine bei sich aufnehmen wollen. Wie oben bereits beschrieben, steht auch den Geflüchteten selbst im Rahmen ihrer Aufenthaltserlaubnis die Entscheidung frei, ob sie bei Ihnen privat unterkommen wollen oder eine andere Einrichtung zum Aufenthalt bevorzugen.
Ukraine-Flüchtlinge privat aufnehmen in Mietwohnung – geht das?
Ja, das geht. Allerdings müssen – anders als bei einer Eigentumswohnung oder einem Eigenheim – die Regelungen des Mietrechts beachtet werden. Bei einem Verstoß gegen bestimmte Vorschriften, riskieren Sie nämlich schlimmstenfalls die (fristlose) Kündigung Ihres Mietvertrages, womit schließlich weder Ihnen noch den Flüchtlingen geholfen wäre.
Sie müssen Ihren Vermieter allerdings nicht um Erlaubnis bitten, Flüchtlinge aufzunehmen zu dürfen. Denn die aufgenommenen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine werden mietrechtlich zunächst wie „Besuch“ behandelt. Nach einem Urteil des Amtsgerichts München gehört das Besuchsrecht zum Kernbereich des Nutzungsrechts der Wohnung. Jeder Mieter hat also das Recht, jederzeit Besuch empfangen zu können (vgl. AG München, Urteil vom 16.09.2013 – 424 C 14519/13, Rn. 14).
Problematisch wird es erst bei der Dauer der privaten Aufnahme. Denn ein „Besuch“ kennt nach dem Mietrecht zeitliche Grenzen und darf – trotz der besonderen Umstände in diesen Fällen – nicht dauerhaft und ohne Unterbrechung erfolgen. Eine einheitliche Rechtsprechung dazu, wie lange ein „Besuch“ dauern darf, existiert momentan nicht. In der Praxis wird eine Besuchsdauer von sechs bis acht Wochen noch als zulässig erachtet. Zwölf Wochen sind dagegen zu lang (vgl. AG Frankfurt/Main-Höchst, Urteil v. 12.01. 1995 – Hö 3 C 5179/94). Unser Tipp: Ab einer Besuchsdauer von sechs Wochen sollten Sie Ihren Vermieter informieren und ihm die Umstände erklären. Sofern kein triftiger Grund entgegensteht, sollte Ihnen der Vermieter – über die sechs Wochen hinaus – eine längere private Aufnahme der Flüchtlinge erlauben.
Kann Wohnraum auch an Flüchtlinge aus der Ukraine vermietet werden?
Natürlich besteht auch die Möglichkeit, Wohnraum an Flüchtlinge aus der Ukraine zu vermieten. Denn im Rahmen ihrer Aufenthaltserlaubnis können die geflüchteten Menschen freilich auch Mietverträge selbstständig abschließen. Für den Fall, dass die Kriegsflüchtlinge nicht selbst für die Mietzahlungen aufkommen können, besteht nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 a) 2. Alt. Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) die Möglichkeit, finanzielle Leistungen vom Staat zu erhalten. Im Übrigen können die ukrainischen Flüchtlinge in Deutschland auch selbstständige Tätigkeiten ausüben (vgl. § 24 Abs. 6 S. 1 AufenthG) oder mit entsprechender Erlaubnis der Ausländerbehörde auch einer Beschäftigung nachgehen (vgl. § 24 Abs. 6 S. 2 AufenthG).
Achtung: Wenn Sie selbst gemieteten Wohnraum jedoch an Kriegsflüchtlinge untervermieten, gilt § 540 BGB. Nach § 540 Abs. 1 S. 1 BGB bedarf die (vollständige oder teilweise) Überlassung der Mietsache der Erlaubnis des Vermieters. Holen Sie diese Erlaubnis nicht ein, riskieren Sie eine fristlose Kündigung Ihres eigenen Mietverhältnisses (vgl. hierzu LG Berlin, Beschluss vom 3.2.2015 – 67 T 29/15, OLG Hamm, Beschluss vom 11.04.1997 – 30 REMiet 1/97).
Was gilt bei der privaten Aufnahme, wenn Flüchtlinge Haustiere dabei haben?
Fast alle Flüchtlinge konnten nur das Allernötigste mitnehmen. Hierzu gehört natürlich auch ein geliebtes Haustier. Dabei wird von den Grenzübergängen der Ukraine in die Nachbarländer berichtet, dass zahlreiche Flüchtlinge Vögel, Katzen, Hunde und andere Haustiere im Gepäck haben. Doch was gilt rechtlich, wenn Sie Flüchtlinge mitsamt deren Haustieren bei sich aufnehmen?
Steht ein Haus oder eine Wohnung in Ihrem Eigentum, so können Sie frei entscheiden, ob Sie auch Haustiere bei sich mit aufnehmen wollen. Relevanter ist die Frage im Mietrecht, also wenn Sie eine Wohnung oder ein Haus gemietet haben. Auch hier finden die allgemeinen Regelungen des deutschen Mietrechts Anwendung. Grundsätzlich gehört die Haustierhaltung zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache, sodass eine Erlaubnis des Vermieters nicht erforderlich ist (vgl. hierzu nur AG Bremen, Urteil vom 05.05.2006 – 7 C 240/05). Anderes gilt jedoch, wenn der vertragsgemäße Gebrauch überschritten wird, was bei bestimmten Tieren oder je nach Einzelfall vorkommen kann. Weitere Informationen hierzu finden Sie in unserem Artikel zur Hundehaltung in der Mietwohnung.
Tipp: Wenn Sie sich auch für die mietrechtliche Frage interessieren, wann und wie eine Mietminderung bei defekter Heizung in Betracht kommt, dann klicken Sie sich auch dort gerne mal rein.
Wer trägt die Kosten für die private Aufnahme von Ukraine-Flüchtlingen?
Auch eine private Aufnahme von Flüchtlingen kostet Geld, sei es nur im Rahmen erhöhter Heizkosten oder dem erhöhten Verbrauch von Wasser und Strom. Für den Fall, dass Sie zwar mit einer privaten Unterkunft helfen möchten, aber die anfallenden (Mehr-)Kosten nicht tragen können oder wollen, gibt es entsprechende Lösungen.
Verlangen Sie Miete und/oder einen Zuschuss zu den Nebenkosten, steht den Ukraine-Flüchtlingen – aufgrund der ihnen gewährten Aufenthaltserlaubnis – ein Anspruch auf finanzielle Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 a) 2. Alt. AsylbLG). Hierfür müssen sich die Flüchtlinge zunächst bei den örtlichen Behörden registrieren und einen entsprechenden Antrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stellen. Damit können Ihnen gemäß § 3 Abs. 1 AsylbLG u.a. Leistungen zur „Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung […]“ gewährt werden. Die staatliche finanzielle Unterstützung gilt jedoch nur subsidiär. Das bedeutet, dass sie nur greift, wenn den Geflüchteten selbst keine ausreichenden finanziellen Möglichkeiten zustehen.
Allerdings stellt sich die berechtigte Frage, wie lange es – aufgrund der sehr hohen Zahlen an Flüchtlingen – dauert, bis entsprechende Anträge auf finanzielle Unterstützung von den Behörden bearbeitet und bewilligt werden können. Um dieses Problem zu lösen, haben einige Landesregierungen und Kommunen bereits angekündigt, dass sie kurzfristig in Vorleistung gehen würden, um dem Problem zu begegnen. Informieren Sie sich also am besten vor Ort oder im Internet bei Ihrer Landesregierung, welche Regelungen hierzu vorgesehen sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie in Berlin, Hamburg, Schleswig-Holstein, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern oder anderswo zuhause sind.
Wer zahlt die Kosten für Schäden am Wohnraum?
Nach deutschem Schadensrecht gilt das Verschuldensprinzip, so dass grundsätzlich derjenige den Schaden ersetzen muss, der ihn vorsätzlich oder fahrlässig versursacht hat. Sofern jemand haftpflichtversichert ist, übernimmt die private Haftpflicht im Regelfall auch Schäden an fremdem Wohnraum. Allerdings sind die Flüchtlinge im Rahmen ihrer Aufenthaltserlaubnis nicht privat haftpflichtversichert und es sind auch keine anderen Ausgleichsmechanismen für derartige Schäden vorgesehen.
In der Mehrzahl der Fälle dürfte es sich um kleinere Schäden handeln, für die Sie eine einvernehmliche Lösung finden sollten. Im Übrigen sollten Sie sich bei Ihrer eigenen Versicherung informieren, ob sie den entstandenen Schaden ersetzt. Denn insbesondere Feuer- oder Wasserschäden sind meist von einer Hausrats- bzw. Gebäudeversicherung abgedeckt.
Zusammenfassung
Sie dürfen Flüchtlinge aus dem Ukraine-Krieg jederzeit privat aufnehmen, wenn Sie das möchten. Die schutzsuchenden Ukraine-Flüchtlinge sind in Deutschland sogar auf private Unterkünfte angewiesen, denn aufgrund der großen Anzahl geflüchteter Menschen werden die Kapazitäten in den staatlichen und privat finanzierten Hilfseinrichtungen nicht ausreichen. Die Flüchtlinge selbst können frei darüber entscheiden, wo und wie sie unterkommen möchten, sofern entsprechende Kapazitäten bestehen. Helfen Sie also, wenn Sie können!
Gehört Ihnen ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung, so bestehen bei der privaten Aufnahme keine rechtlichen Hürden. In einer Mietwohnung oder einem Mietshaus müssen jedoch – trotz der außergewöhnlichen Umstände – die bestehenden Regelungen des deutschen Mietrechts weiter eingehalten werden. Dies betrifft insbesondere die Art und Dauer einer privaten Aufnahme von Flüchtlingen (Stichworte: „Besuch“ bzw. „Untervermietung“). Auch bei aus der Ukraine mitgebrachten Haustieren gelten die allgemeinen mietrechtlichen Regelungen zu Haustieren fort. Wollen oder Können Sie die für die private Aufnahme der Ukraine-Flüchtlinge anfallenden (Mehr-)Kosten nicht selbst tragen, so ist das kein Problem. Können die Flüchtlinge die Kosten nämlich nicht aus ihrem eigenen Vermögen bezahlen, so steht den geflüchteten Menschen staatliche finanzielle Unterstützung für Miet- und Nebenkosten zu.