Der Begriff der Dauerschuldverhältnisse ist in der juristischen Ausbildung, aber auch in der Praxis durchaus von Relevanz. Denn zentrale Vertragstypen sind den Dauerschuldverhältnissen zuzuordnen. Welche das sind und was sie auszeichnet, erklären wir Euch in diesem Artikel.
Was bedeutet Dauerschuldverhältnis?
Dauerschuldverhältnis beschreibt ein Schuldverhältnis, bei dem nicht eine einmalige Leistungserbringung (z.B. Kauf bzw. Übereignung/Übergabe einer Ware oder die Herstellung eines Werkes im Rahmen eines Werkvertrages), sondern ein dauerndes Verhalten oder wiederkehrende Leistungen geschuldet sind. Hierbei entstehen immer wieder neue Leistungspflichten sowie Neben- und Schutzpflichten (BeckOK BGB/Sutschet, 61. Ed. 2022, BGB § 241 Rn. 27).
Da es sich bei Dauerschuldverhältnissen auch um Schuldverhältnisse handelt, finden die allgemeinen Regelungen zu Schuldverhältnissen grundsätzlich auch hier Anwendung. Eine Besonderheit gilt aber für die Beendigung der Dauerschuldverhältnisse (siehe unten).
Beispiele für Dauerschuldverhältnisse
Die folgenden Vertragsarten sind typischerweise Dauerschuldverhältnisse:
- Mietvertrag
- Pachtvertrag
- Darlehensvertrag
- Leihvertrag
- Dienstvertrag
- Arbeitsvertrag
- Verwahrung
- Gesellschaft
- Versicherungsvertrag
Zu beachten ist, dass auch andere Vertragstypen (z.B. der Maklervertrag oder die Bürgschaft) je nach Ausgestaltung im Einzelfall zu Dauerschuldverhältnissen werden können. Umgekehrt können Vertragsarten, die typischerweise Dauerschuldverhältnisse sind, durch die Beschränkung auf nur eine Leistung ihren Charakter als Dauerschuldverhältnis verlieren (so in Bezug auf Dienstverträge etwa BGH, Urteil vom 01.02.1989 – IVa ZR 354/87).
Was gilt für Sukzessivlieferungsverträge?
Bei Sukzessivlieferungsverträgen, etwa über Strom oder Bier, werden periodisch gewisse Teillieferungen erbracht. Wenn der Gesamtumfang von vornherein unbestimmt ist, handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis. Andernfalls handelt es sich um einen Ratenlieferungsvertrag, in der Sache also um einen Kaufvertrag, der ratenweise zu erfüllen ist (BeckOK BGB/Sutschet, a.a.O., Rn. 28).
Beendigung der Dauerschuldverhältnisse
Hier wollen wir Euch noch einige zentrale (und besondere) Punkte im Hinblick auf die Beendigung von Dauerschuldverhältnissen vorstellen.
Besondere Wirkung der Anfechtung bei bestimmten Dauerschuldverhältnissen
Dauerschuldverhältnisse werden regelmäßig (bewusst) für längere Zeit eingegangen und begründen ein entsprechendes Vertrauen der Parteien dahingehend, dass die Vertragsbeziehung Bestand hat. Dementsprechend können Regelungen des BGB, die von Schuldverhältnissen ausgehen, die auf eine einmalige Leistung gerichtet sind, auf manche Dauerschuldverhältnisse teilweise nur mit Modifikationen angewandt werden (BeckOK BGB/Sutschet, a.a.O., Rn. 29).
Dies zeigt sich insbesondere Falle von Arbeitsverträgen oder Gesellschaftsverträgen. Hier wirken Mängel beim Vertragsschluss nur ex nunc, die Nichtigkeitsfolge gilt also nur mit Wirkung für die Zukunft.
Beispiel: Wird ein Arbeitsvertrag wegen eines Irrtums angefochten, dann führt die Anfechtung nicht zur Nichtigkeit des Arbeitsvertrages von Beginn an i.S.v. § 142 Abs. 1 BGB. Vielmehr wirkt die Anfechtung ex nunc, die Unwirksamkeit tritt also nur für die Zukunft ein. Dies hat auch zur Folge, dass bereits empfangene Leistungen, bspw. der Arbeitslohn, dann nicht nach § 812 BGB zurückgewährt werden müssen.
Ordentliche Kündigung
Wenn das Dauerschuldverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen wurde, kann es grundsätzlich durch ordentliche Kündigung – unter Beachtung der jeweiligen Kündigungsfrist – beendet werden.
Außerordentliche Kündigung gemäß § 314 BGB
Ein Dauerschuldverhältnis kann von jeder Partei auch außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt werden. Eine Kündigungsfrist ist hier dann nicht einzuhalten (§ 314 Abs. 1 S. 1 BGB).
Ein wichtiger Grund liegt gemäß § 314 Abs. 1 S. 2 BGB vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Wann eine solche Unzumutbarkeit vorliegt, ist natürlich eine Frage des Einzelfalls. Insoweit kann sich die Unzumutbarkeit etwa daraus ergeben, dass die Vertrauensgrundlage für eine Zusammenarbeit der Parteien zerstört ist. Ohne weiteres ist die Unzumutbarkeit zu bejahen, wenn der Kündigungsgegner eine vorsätzliche Straftat gegen den Vertragspartner oder ihm nahestehende Personen und Mitarbeiter begangen hat (BeckOK BGB/Lorenz, a.a.O., § 314 Rn. 14).
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