Praktische Konkordanz – Definition & Fall bzw. Beispiele

Praktische Konkordanz

Die praktische Konkordanz ist ein Prinzip des deutschen Verfassungsrechts. Sie spielt in Grundrechtsprüfungen eine wesentliche Rolle, wird von Studierenden aber oft stiefmütterlich behandelt. Wir erläutern, was praktische Konkordanz bedeutet und geben anschauliche Beispiele.

 

Praktische Konkordanz – Definition

Das Prinzip der praktischen Konkordanz ist weder im Verfassungsrecht noch an anderer Stelle gesetzlich geregelt. Vielmehr wurde das Prinzip vom Bundesverfassungsgericht entwickelt, um eine Lösung für die Kollision gleichrangiger Verfassungsnormen (nicht jedoch die Kollision höherrangiger Normen mit nachrangigen Normen) zu finden. Denn bei gleichrangigen Verfassungsnormen soll keine Norm hinter die andere zurücktreten müssen. Dieses Dilemma löst das Bundesverfassungsgericht mit dem Prinzip der praktischen Konkordanz, indem die gleichrangigen Verfassungsnormen (meist Grundrechte) zu einem schonenden Ausgleich gebracht werden. „Schonender Ausgleich“ meint dabei, dass die beiden gleichrangigen Verfassungsnormen im Rahmen einer konkreten Güter- und Interessenabwägung im Einzelfall – unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – so in Ausgleich gebracht werden, dass sich beide Verfassungsgüter möglichst weitgehend entfalten können.

 

Allgemein lässt sich die praktische Konkordanz wie folgt definieren:

„kollidierende Grundrechtspositionen (…) [sind] in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und (…) so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden.“

(BVerfGE 134, 204, 23.10.2013 – 1 BvR 1842/11, 1 BvR 1843/11, Rn. 223)

 

Praktische Konkordanz

 

 

Praktische Konkordanz – Fallbeispiele

 

  • Beispiel 1 (nach „Kruzifix-Beschluss“ des Bundesverfassungsgerichts): Das Bundesverfassungsgericht hielt hierbei eine Norm, die das Aufhängen eines Kruzifix in Klassenzimmern anordnete, mit der grundrechtlich gewährleisteten Religionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1 GG unvereinbar.

 

Hierbei ging es im Rahmen der praktischen Konkordanz konkret darum, einen Ausgleich zwischen der positiven christlichen Glaubensfreiheit einerseits sowie der negativen Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG), dem elterlichen Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) und der Reichweite des staatlichen Erziehungsauftrages (Art. 7 GG) andererseits zu finden.

 

(vgl. BVerfGE 93, 1, 16.05.1995 – 1 BvR 1087/91)

 

 

  • Beispiel 2 (nach BVerfGE 83, 130): Ein Verlag hatte bei der Bundesprüfstelle (verantwortlich für Kinder- und Jugendmedienschutz) beauftragt, einen dort wegen jugendgefährdender Inhalte indizierten Roman von der Liste zu streichen. Denn der Verlag wollte diesen Roman als Taschenbuch herausbringen. Die Bundesprüfstelle hatte den Antrag des Verlages abgelehnt und die gegen diese Entscheidung des Verlages gerichteten Klagen wurden allesamt abgewiesen.

 

Im Rahmen der praktischen Konkordanz ging es darum, eine Abwägungsentscheidung anhand des konkreten Einzelfalls zwischen der Kunstfreiheit eines Buchverlages (Art. 5 Abs. 3 GG) einerseits sowie der Reichweite des Erziehungsrechts der Eltern (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) und dem Jugendschutz als Schranke (Art. 5 Abs. 2 GG) andererseits zu treffen.

 

Wir hoffen, dass ihr mit diesem Artikel zur praktischen Konkordanz nun etwas mehr diesem bedeutenden Prinzip des deutschen Verfassungsrechts anfangen könnt.

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