Abstraktionsprinzip im BGB – einfach erklärt inkl. Beispiele

Abstraktionsprinzip

Das Abstraktionsprinzip ist für viele Jura-Studenten ein echtes Mysterium, das eher Sorgen macht. Denn vielfach hört man, dass ein Verstoß gegen das Abstraktionsprinzip „unverzeihlich“ sei und zwingend unter die 4-Punkte-Grenze führe. Gleichzeitig haben Studenten häufig Probleme damit, die Bedeutung des Abstraktionsprinzips genau zu erfassen. Daher wollen wir hier das Abstraktionsprinzip einfach anhand von Beispielen erklären.

Was bedeutet Abstraktionsprinzip?

Abstraktionsprinzip bedeutet, dass das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft und das dingliche Erfüllungsgeschäft in ihrer Wirksamkeit voneinander unabhängig sind.

Das bedeutet, dass die Unwirksamkeit des einen Rechtsgeschäfts (Verpflichtungs- oder Erfüllungsgeschäft) nicht zwingend auch die Unwirksamkeit des anderen Rechtsgeschäfts (Verpflichtungs- oder Erfüllungsgeschäft)  zur Folge hat.

 

Was unter einem Verpflichtungsgeschäft und einem Erfüllungsgeschäft zu verstehen ist, könnt ihr durch Anklicken des jeweiligen Begriffs noch einmal nachlesen.

 

Abstraktionsprinzip

 

Warum gibt es das Abstraktionsprinzip?

Das Abstraktionsprinzip hat praktisch – auch wenn man dies im Rahmen des Studiums zunächst nicht ganz glauben mag – erhebliche Auswirkungen und wichtige Zielsetzungen (vgl. hierzu und nachfolgend Meier/Jocham, JuS 2021, 494, 495).

 

Zunächst ist die Rechtssicherheit bei Veräußerungsketten zu nennen. Aufgrund des Abstraktionsprinzip muss nämlich ein Zweitkäufer einer Sache nicht dezidiert prüfen, ob der Erstkäufer tatsächlich einen wirksamen Kaufvertrag mit dem ursprünglichen Verkäufer abgeschlossen hat. Der Zweitkäufer kann Eigentum erwerben, auch wenn der Erstkäufer und ursprüngliche Verkäufer keinen wirksamen Kaufvertrag abgeschlossen hatten.

 

Daneben hat das Abstraktionsprinzip für die Rückabwicklung Bedeutung. Ist sowohl das Verpflichtungs- als auch das Erfüllungsgeschäft unwirksam, dann hat der Veräußerer einer Sache das Eigentum nie verloren und kann den Besitz nach § 985 herausverlangen; auch in der Insolvenz des Besitzers hätte er wegen eines Aussonderungsrechts gemäß § 47 InsO eine relativ starke Position.

Wenn dagegen nur das Verpflichtungsgeschäft unwirksam ist, bleibt dem Veräußerer nur ein Kondiktionsanspruch aus § 812 BGB. Hier hat der Veräußerer nun eine wesentlich schwächere Position: Er sieht sich möglicherweise dem Entreicherungseinwand gemäß § 818 Abs. 3 BGB des vermeintlichen Erwerbers ausgesetzt. Zudem trägt er dessen Insolvenzrisiko, weil Bereicherungsansprüche schlichte Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO sind.

 

Beispiel zum Abstraktionsprinzip

Sachverhalt nach Lieder/Berneith, JuS 2016, 673:

K und V schließen am Montag einen Kaufvertrag über eine Armbanduhr. Am Dienstag erfolgt die Eigentumsübertragung. Später stellt sich heraus, dass V im Zeitpunkt des Vertragsschlusses unerkannt geisteskrank, beim Eigentumsübergang jedoch voll geschäftsfähig war.

Hier war der Kaufvertrag gemäß §§ 104 Nr. 1, 105 BGB nichtig, weil V nicht geschäftsfähig war. Nach seiner Genesung konnte V am Dienstag aber die Eigentumsübertragung wieder wirksam vornehmen. K wurde also Eigentümer; der Mangel im Verpflichtungsgeschäft bzw. der fehlende rechtliche Grund ändert daran nichts. Allerdings ist K aufgrund des fehlenden rechtlichen Grundes einem Bereicherungsanspruch des V aus § 812 BGB ausgesetzt.

 

Wir hoffen, dass euch diese Erklärungen dabei helfen, das Abstraktionsprinzip besser zu verstehen.

 

Andere Begriffe zum BGB AT mit Beispielen findet ihr hier verständlich erklärt:

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