Es ist mittlerweile als Gewohnheitsrecht anerkannt, dass das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben als Zustimmung gewertet werden kann. Was unter einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben nun aber genau zu verstehen ist und welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit ein solches Schreiben als Zustimmung gewertet werden kann, erklären wir euch nun im Folgenden. Natürlich haben wir dabei auch ein Schema zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben für euch.
Auf wen finden die Grundsätze des KBS Anwendung?
Die Grundsätze des KBS sind nicht auf Kaufleute im Sinne des Handelsgesetzbuches (HGB) begrenzt. Da diese Rechtsgrundsätze ihre Wurzeln nicht im Text des HGB haben, sondern letztlich auf einem Handelsbrauch beruhen, kommt es auch für deren Anwendbarkeit nicht auf die förmlichen Regeln des HGB an, sondern darauf, ob die Anwendung eines solchen Handelsbrauches gerechtfertigt ist. Nach Auffassung des BGH ist das immer dann der Fall, wenn der Schweigende wie ein Kaufmann am Handelsverkehr teilnimmt und man daher von ihm die Beachtung kaufmännischer Verkehrssitten und eine kaufmannsähnliche Betriebsorganisation erwarten kann.
- Es kommt also auf den Adressaten an.
- Wenn der Adressat kein Kaufmann ist, er aber ähnlich wie ein Kaufmann am Geschäftsleben teilnimmt, dann finden die Grundsätze des KBS also dennoch Anwendung.
- Beispiel: Auch der GmbH-Geschäftsführer unterfällt daher natürlich nach herrschender Ansicht grundsätzlich diesen Grundsätzen. Wenn der Geschäftsführer aber alleine im privaten Bereich handelt, kann man nicht erwarten, dass der Empfänger ähnlich professionell organisiert ist wie in seiner geschäftlichen Umgebung und unverzüglich auf ein Schreiben reagiert.
Schema zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben
Hier möchten wir Euch einmal kompakt die zentralen Voraussetzungen des Prüfungsschemas zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben aufzählen:
- Persönlicher Anwendungsbereich: Kaufleute oder vergleichbare Personen (siehe oben);
- Geschäftlicher Kontakt: bloße Vertragsverhandlungen oder auch Abschluss eines Vertrages; dieser kann mündlich oder schriftlich abgeschlossen worden sein.
- die Parteien müssen davon ausgehen, einen wirksamen Vertrag geschlossen zu haben.
- Bestätigungsschreiben muss schriftlich auf die (vermeintlich) getroffene Vereinbarung Bezug nehmen (E-Mail oder Telefax ausreichend). Es reicht, wenn der wesentliche Inhalt der (vermeintlichen) Vereinbarung – aus Sicht des Absenders und für den Empfänger erkennbar – vollständig und final wiedergegeben wird.
Abgrenzung zur echten Auftragsbestätigung: Diese soll nicht das Zustandekommen oder den Inhalt eines Vertrages bestätigen, sondern den Vertrag erst zustande bringen. Bei der Auftragsbestätigung handelt es sich also um eine Annahme im Sinne von § 145 BGB.
- das Bestätigungsschreiben muss im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Vertragsschluss abgesendet worden sein,
- es muss dem Empfänger zugehen (vgl. § 130 BGB) und
- der Absender muss redlich sein.
Hinweis: Wenn das Bestätigungsschreiben zugeht, muss der Empfänger – sofern er keinen Vertragsschluss möchte – unverzüglich (im Sinne von § 121 BGB) widersprechen. Nach dem BGH ist eine Reaktion von 1-2 Tagen bei einfach gelagerten Fällen noch unverzüglich.
Alles verstanden? Das Fallbeispiel zum KBS
Sachverhalt:
A und B sind zu je 50% Gesellschafter der Z-GmbH, beide sind als Geschäftsführer alleinvertretungsberechtigt. Die Z-GmbH stellt hochwertige Büromöbel her und verkauft diese. Am 13.02.2021 verhandelte A im Namen der Z-GmbH mit S (Gesellschafter der S-GbR, einer Kanzlei, einziger weiterer Gesellschafter ist T) über den Verkauf von Raumausstattung für die Kanzlei. Die S-GbR hat keine besondere Regelung im GV über Vertretung getroffen, S schließt nun – ohne sich zuvor mit T abgesprochen zu haben – noch am gleichen Tag im Namen der S-GbR mit A (als Vertreter der Z-GmbH) einen Vertrag über den Kauf der Raumausstattung iHv 60.000 €. Am 19.02.2021 übersendet A per Telefax ein Schreiben an die S-GbR, in dem er noch einmal herzlich zum Kauf der Raumausstattung für nur 60.000 € gratuliert. Eine Reaktion von Seiten der S-GbR erfolgte nicht, weil die Rechtsanwaltsfachangestellte R das im Büro ordnungsgemäß eingegangene Telefax versehentlich nicht entsprechend der ihr erteilten Weisung S und T vorlegte, sondern das Schreiben sogleich in eine Akte ablegte. Frage: Ist ein Vertrag zwischen der Z-GmbH und der S-GbR geschlossen worden?
Lösung:
- A hat die Z-GmbH wirksam vertreten gem. § 164 I, III BGB
- S handelte dagegen ohne Vertretungsmacht, weil er als Gesellschafter der GbR (die ja keine vom Gesetz abweichende Vertretungsform statuiert) nach §§ 714, 709 BGB nur gesamtvertretungsberechtigt ist, S also der Zustimmung des T bedurfte hätte.
- Der Vertrag vom 13.02.21 ist also schwebend unwirksam (vgl. § 177 I BGB).
- P: Fraglich ist aber, ob der schwebend unwirksame Vertrag aufgrund des Schreibens vom 19.02.21 und das nachfolgende Schweigen seitens S und T möglicherweise doch noch wirksam zw. der Z-GmbH und S-GbR zustande kam. Das Telefax könnte dabei als kaufmännisches Bestätigungsschreiben einzuordnen sein.
(1) Persönlicher Anwendungsbereich? Ja, weil S-GbR zwar nicht Kaufmann, aber sie nimmt als Kanzlei ähnlich am Geschäftsleben teil wie Kaufmann und unterfällt daher dem Anwendungsbereich des kaufmännischen Bestätigungsschreibens (s.o.).
(2) die Parteien gingen auch davon aus, einen wirksamen Vertrag geschlossen zu haben;
(3) das Bestätigungsschreiben wurde auch im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Vertragsschluss abgesendet
(4) das Schreiben ist der GbR bzw. S und T auch nach § 130 I BGB zugegangen; die Fachangestellte R ist insoweit als Empfangsbotin einzustufen, sodass das Schreiben dem S und dem T jedenfalls kurze Zeit nach Eingang im Büro zugegangen ist, weil dann regelmäßig mit Vorlage des Posteingangs bei S und T zu rechnen war.
(5) Die Voraussetzungen des beruflichen Bestätigungsschreibens liegen also vor.
- Ergebnis: Das Schweigen auf das berufliche Bestätigungsschreiben hatte zur Folge, dass der Vertrag zw. der S-GbR und Z-GmbH doch noch zustande kam.
Wir hoffen, dass ihr mit diesem Überblick – und dem Schema & Fallbeispiel – ein gute Vorstellung davon bekommen habt, was das kaufmännische Bestätigungsschreiben ist und wie es in der Praxis und in Klausuren relevant wird.
Andere Begriffe zum BGB AT mit Beispielen findet ihr hier verständlich erklärt:
- Inhaltsirrtum
- Erklärungsirrtum
- Abstraktionsprinzip
- (Nicht) empfangsbedürftige Willenserklärung
- Adäquanztheorie
- Einseitiges Rechtsgeschäft