Pflichtwidrigkeitszusammenhang » Definition, Info & Beispiele

Pflichtwidrigkeitszusammenhang

Hier erklären wir euch, was unter dem Pflichtwidrigkeitszusammenhang im Strafrecht zu verstehen ist. Dieser beschäftigt gerade Jura-Studenten schon in den ersten Semestern, vor allem im Zusammenhang mit Fahrlässigkeitsstrafbarkeiten.

 

Was bedeutet der Pflichtwidrigkeitszusammenhang? – eine Definition

Zur Erfüllung des Tatbestandes eines fahrlässigen Erfolgsdeliktes genügt es noch nicht, wenn der Täter den Erfolg kausal herbeiführt. Hinzukommen muss nach herrschender Meinung noch, dass das Täterverhalten gerade in seiner Pflichtwidrigkeit für den Erfolg „kausal“ geworden ist, das heißt, dass sich der Erfolg als Verwirklichung der unerlaubt gesetzten Gefahr darstellen muss (Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019 Rn. 173; vgl. grundlegend BGHSt 11, 1, 7). Dieser Zusammenhang fehlt nun aber, wenn der Taterfolg auch bei pflichtgemäßem (Alternativ‑)Verhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre (Magnus, JuS 2015, 402).

 

Pflichtwidrigkeitszusammenhang

 

Beispiele für den (fehlenden) Pflichtwidrigkeitszusammenhang

 

  • Beispiel 1 (Radfahrer-Fall des BGH, BGHSt 11, 1): Hier wollte ein Lastwagenfahrer einen stark alkoholisierten Radfahrer überholen, ohne den erforderlichen Sicherheitsabstand einzuhalten. Der Radfahrer zog alkoholbedingt das Rad plötzlich nach links und wurde von den Hinterreifen des LKW erfasst. Später stellte sich heraus, dass der Unfall wahrscheinlich auch bei Einhalten des erforderlichen Abstandes nicht vermieden worden wäre. Das sorgfaltswidrige Verhalten des Lastwagenfahrers war hier also zwar kausal, der Pflichtwidrigkeitszusammenhang lag aber nicht vor, weil der Unfall wohl auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre.

 

  • Beispiel 2 (Klinikärzte-Fall des BGH, BGHSt 49, 1): Hier gewährten leitende Ärzte einer psychiatrischen Klinik einem psychisch kranken, erkennbar tatgeneigten Patienten unbeaufsichtigten Ausgang. Der Patient verletzte während des Ausgangs mehrere Frauen, zwei davon tödlich. Hier stand eine Strafbarkeit der Klinikärzte wegen fahrlässiger Tötung bzw. fahrlässiger Körperverletzung im Raum. Die Verteidigung argumentierte, dass der Patient auch ohne die Ausgangsgewährung ausgebrochen wäre, weil die Station unzureichend gesichert gewesen und der Patient bereits zuvor problemlos ausgebrochen sei. Der BGH entschied, dass dieses hypothetische Verhalten nicht hinzugedacht werden durfte. Denn: Es dürfen nur solche alternative Geschehen hinzugedacht werden, die der konkreten Tatsituation zuzurechnen sind. Dazu zählt hier aber das hypothetische gewaltsame Ausbrechen nicht. Das Ausbrechen hätte nämlich einer völlig außerhalb des Tatgeschehens liegenden autonomen Willensbildung des Patienten bedurfte, wofür jede Anhaltspunkte fehlten.

 

Bei welchen Delikten wird der Pflichtwidrigkeitszusammenhang relevant?

Seinen zentralen Anwendungsbereich hat der Pflichtwidrigkeitszusammenhang bei den Fahrlässigkeitsdelikten. Dies unterstreicht die Formulierung in den Fahrlässigkeitstatbeständen des StGB, wonach der Taterfolg „durch Fahrlässigkeit“ verursacht wird (vgl. etwa die fahrlässige Tötung in § 222 StGB oder die fahrlässige Körperverletzung in § 229 StGB). Der Eintritt des Erfolgs muss sich hier also gerade als Verwirklichung der pflichtwidrig geschaffenen Gefahr darstellen (Magnus, JuS 2015, 402, 404).

Bei Vorsatzdelikten hat der Pflichtwidrigkeitszusammenhang keinen Anwendungsbereich (Kühl, in: Lackner/Kühl, 29. Auflage 2018, § 15 Rn. 41).

 

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