„Reformatio in peius“ im Verwaltungsrecht – Definition & Beispiele

Reformatio in peius

Die „reformatio in peius“ (auch als „rip“ abgekürzt) ist ein Begriff aus dem Verwaltungsrecht, der in rechtswissenschaftlichen Klausuren als „Dauerbrenner“ gilt. Wir erläutern, was die „reformatio in peius“ meint, geben anschauliche Beispiele und erklären, wann ein Verbot der „rip“ gilt.

 

Reformatio in peius – Definition

Die „reformatio in peius“ ist in der VwGO in keiner eigenständigen Norm geregelt. Der Rechtsbegriff stammt aus dem Lateinischen und bedeutet auf Deutsch so viel wie „Verböserung“ oder „Verschlechterung“. Im Verwaltungsrecht wird sie insbesondere im Widerspruchsverfahren gem. §§ 68 ff. VwGO relevant. Hiernach meint der Begriff eine „Verböserung“ bzw. „Verschlechterung“ des Verwaltungsaktes im Widerspruchsverfahren zu Lasten des Widerspruchsführers, was nach h.M. zulässig sein soll.

Allgemein lässt sich die „reformatio in peius“ wie folgt definieren:

Eine reformatio in peius liegt demnach vor, wenn die Widerspruchsbehörde die angegriffene belastende Entscheidung zu Lasten des Widerspruchsführers verschärft, die erteilte Begünstigung, die vom Widerspruchsführer als zu gering angegriffen wird, ganz oder zum Teil wieder entzieht oder angefochtenen belastenden Nebenbestimmungen einer erteilten Begünstigung verschärft. Die Änderung der Begründung des Verwaltungsakts zu Lasten des Widerspruchsführers reicht nicht aus.

(Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsgerichtsordnung: VwGO, 40. EL Februar 2021, § 68 Rn. 47)

 

Reformatio in peius – Beispiele

  • Beispiel 1: Wirt W erhält von der zuständigen Behörde eine Gaststättenerlaubnis, die mit der Auflage versehen ist, den zur Gaststätte gehörenden Biergarten unter der Woche bis maximal 20 Uhr und am Wochenende bis maximal 18 Uhr zu betreiben. Auf den Widerspruch des W gegen die Auflage, erlässt die zuständige Behöre einen Widerspruchsbescheid mit dem Inhalt, dass W den Biergarten unter der Woche nunmehr nur bis 18 Uhr und am Wochenende gar nicht betreiben darf.

 

  • Beispiel 2: Hauseigentümer H ist es im Sommer zu heiß und im Winter zu kalt, sodass er sich – jeweils ohne Baugenehmigung – einen großen Pool in seinen Garten und daneben ein kleines Häuschen mit Sauna und Dampfbad baut. Die zuständige Behörde verfügt nach ein paar Monaten den Abriss des Häuschens mit Sauna und Dampfbad. Hiergegen legt H Widerspruch ein. Im Widerspruchsbescheid verfügt die zuständige Behörde daraufhin, dass H neben dem Häuschen auch den Pool abreißen bzw. rückbauen muss.

 

Verbot der Reformatio in peius

Im gerichtlichen Klageverfahren sowie im Rechtsmittelverfahren ist eine „reformatio in peius“ unzulässig (vgl. hierzu §§ 88, 129, 141 VwGO). Eine Mindermeinung hält sie auch im verwaltungsrechtlichen Widerspruchsverfahren für unzulässig, die ganz herrschende Meinung dagegen für zulässig (s. oben). Im Übrigen gilt beispielsweise für das Prüfungsrecht ein Verschlechterungsverbot (vgl. u.a. BVerwG, Beschluss vom 19.05.2016 – 6 B 1.16).

 

Exkurs: Die „reformatio in peius“ im Zivil- und Strafprozessrecht

In Ausnahmefällen ist auch im Zivilprozessrecht sowie im Strafprozessrecht eine „reformatio in peius“ zulässig. Für das Zivilprozessrecht gilt die Zulässigkeit der „reformatio in peius“ nur für die Fälle der sogenannten Anschlussberufung (§ 524 ZPO) und Anschlussrevision (§ 554 ZPO), also in den Fällen, in denen die andere Partei dasselbe Rechtsmittel einlegt. Im Strafprozessrecht ist die „reformatio in peius“ nur zulässig, wenn die Staatsanwaltschaft zuungunsten des Angeklagten ein Rechtsmittel einlegt (vgl. zum Verschlechterungsverbot §§ 331, 358 Abs. 2 StPO). In diesem Fall ist unerheblich, ob auch der Angeklagte selbst das entsprechende Rechtsmittel eingelegt hat.

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