Ermessensfehler – Arten, Definition & Beispiele

Ermessensfehler

Ermessensfehler spielen im Wesentlichen im Verwaltungsrecht eine Rolle. Wir erläutern die Arten von Ermessensfehlern, nennen jeweils eine knappe Definition und geben anschauliche Beispiele für die jeweiligen Ermessensfehler. Zudem klären wir auf, welche Folgen Ermessensfehler haben und ob es sich auch um einen Ermessensfehler handelt, wenn die Behörde eine Ermessensreduzierung auf Null verkennt.

 

Ermessensfehler – Arten

Ermessensfehler liegen vor, wenn das dem behördlichen Entscheidungsträger gesetzlich eingeräumte Ermessen von diesem fehlerhaft ausgeübt wird. Ermessensfehler können sowohl im Rahmen des Auswahlermessens („ob“) als auch im Rahmen des Entschließungsermessens („wie“) auftreten. Gesetzliche Regelungen zum Ermessen bzw. Ermessensfehlern finden sich in § 40 VwVfG bzw. § 114 VwGO. Aus diesen Regelungen werden allgemein drei Arten von Ermessensfehlern abgeleitet, wobei die Begrifflichkeiten für die jeweiligen Ermessensfehler oft nicht ganz einheitlich verwendet werden.

Folgende Arten von Ermessensfehlern werden unterschieden:

  • Ermessensausfall (wird auch als „Ermessensnichtgebrauch“ oder „Ermessensunterschreitung“ bezeichnet)
  • Ermessensfehlgebrauch (wird auch als „Ermessensmissbrauch“ bezeichnet)
  • Ermessensüberschreitung

 

Ermessensfehler – Definition

Die bereits genannten Arten von Ermessensfehlern lassen sich im Einzelnen wie folgt definieren:

  • Ermessensausfall = die Behörde übt gar kein Ermessen aus, weil sie nicht erkannt hat, dass ihr gesetzlich ein Ermessen eingeräumt wurde.

 

  • Ermessensfehlgebrauch = Die Behörde übt Ermessen aus. Allerdings beruht ihre Ermessensentscheidung auf gesetzeswidrigen Erwägungen, die Entscheidung ist also nicht vom Gesetzeszweck gedeckt „innerer Ermessensrahmen“ der Norm). Insbesondere spielen hier zweck- oder sachfremde Erwägungen eine Rolle.

 

  • Ermessensüberschreitung (in der Praxis der häufigste Ermessensfehler) = Die Behörde übt Ermessen aus. Allerdings hat ihre Entscheidung den gesetzlichen Rahmen überschritten („äußerer Ermessensrahmen“ der Norm), was vor allem die Verkennung höherrangigen Rechts betrifft, im Besonderen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus Art. 20 Abs. 3 GG. Somit wird im Rahmen der Ermessensüberschreitung die Verhältnismäßigkeit der gewählten Rechtsfolge überprüft.

 

Ermessensfehler – Beispiele

  • Beispiel 1 (Ermessensausfall): Das Gesetz sieht auf Rechtsfolgenseite ein Ermessen der Behörde (Wortlaut: „kann“) vor. Die Behörde hält die Rechtsfolge irrtümlich für eine gebundene Entscheidung, verkennt somit das ihr gesetzlich eingeräumte Ermessen und übt es in der Folge überhaupt nicht aus.

 

  • Beispiel 2 (Ermessensfehlgebrauch, nach BVerwG, Urteil vom 13.03.1997 – 3 C 2/97): 29 Abs. 2 StVO sieht ein Verbot von Kraftfahrzeugrennen auf öffentlichen Straßen und Wegen vor. Sinn und Zweck der Vorschrift ist eine über das verkehrsübliche Maß hinausgehende Inanspruchnahme der Straßen und Wege im Sinne einer übermäßigen Straßenbenutzung (vgl. Überschrift und Normtext).

 

Ermessensfehlerhaft aufgrund zweckwidriger Erwägungen war es im vorliegenden Fall, motorsportlich organisierte Veranstaltungen wie eine Kraftfahrzeug-Rallye nicht zu den Veranstaltungen zu zählen, die vom generellen Verbot des § 29 Abs. 2 StVO umfasst sind.

 

  • Beispiel 3 (Ermessensüberschreitung, nach OVG Hamburg, Urteilvom 5.2015 – 4 Bf 226/12): Die zuständige Behörde wies anlässlich der „Walpurgisnacht“ in Hamburg ein Gefahrengebiet aus, da – aufgrund der Erfahrung zurückliegender Jahre – mit Ausschreitungen im Rahmen von Aufzügen zu rechnen war. Bei der Klägerin erfolgte im Gefahrengebiet eine polizeiliche Feststellung ihrer Identität sowie eine Kontrolle ihres Rucksacks, was die Klägerin für rechtswidrig hielt.

 

Vorliegend wurde eine Ermessensüberschreitung dahingehend angenommen, dass bei den im Gefahrengebiet angetroffenen Personen hinsichtlich der Identitätsfeststellung und Kontrolle durch die Polizei zwischen Personen, die dem „linken Spektrum“ zugehörig sind und anderen Personen unterschieden wurde. Das stellt nach Ansicht des OVG Hamburg jedenfalls einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG dar und war somit unverhältnismäßig (vgl. hierzu OVG Hamburg, NVwZ-RR 2015, 695, 703).

 

Folgen von Ermessensfehlern

Liegt ein Ermessensfehler vor, ist der entsprechende Verwaltungsakt rechtswidrig. Grundsätzlich führen Ermessensfehler zur Aufhebung des Verwaltungsakts (vgl. Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Auflage 2021, § 114 Rn. 53). Ausnahmsweise führen Ermessensfehler nur dann nicht zur Aufhebung des betroffenen Verwaltungsakts, wenn der Ermessensfehler nach den Voraussetzungen des § 46 VwVfG unbeachtlich ist oder unter den Voraussetzungen des § 45 VwVfG von der Widerspruchsbehörde geheilt werden kann.

 

Ermessensreduzierung auf Null verkannt – Ermessensfehler?

Sofern die Behörde – aus welchen Gründen auch immer – eine Ermessensreduzierung auf Null verkennt, handelt es sich nicht um einen klassischen Ermessensfehler. Denn die Ermessensreduzierung auf Null stellt gerade eine Ausnahme vom Ermessen dar und ist an strengen Anforderungen zu messen (vgl. hierzu nur Wolff, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 114 Rn. 129). Die Behörde ist im Fall der Ermessensreduzierung auf Null gerade zu einer bestimmten Entscheidung gezwungen, da jede andere Entscheidung ermessensfehlerhaft wäre.

 

Wir hoffen, dass ihr mit diesem Artikel die einzelnen Ermessensfehler nun besser einordnen und nachvollziehen könnt.

 

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