Gerade im Hinblick auf die Eindämmung der Corona-Pandemie stellen sich viele die Frage, ob die Polizei auch aus Gründen des Infektionsschutzes eine Wohnung betreten bzw. durchsuchen darf. Generell ist jedoch die Frage, wann die Polizei in eine Wohnung eintreten oder eindringen darf, auch für viele andere Fälle – ganz unabhängig von Corona – bedeutsam. Wir möchten daher genauer erläutern, unter welchen Voraussetzungen und wie die Polizei in eine Wohnung hinein darf und warum Sie die Polizei in solchen Fällen besser in die Wohnung reinlassen sollten.
Darf die Polizei einfach in meine Wohnung?
Nein. Die Polizei darf niemals eine Wohnung „einfach so“ betreten. Das folgt bereits aus Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz: „Die Wohnung ist unverletzlich.“ In dieses Grundrecht der „Unverletzlichkeit der Wohnung“ kann nur unter den in Art. 13 Abs. 2 – Abs. 7 Grundgesetz ausdrücklich festgelegten Gründen eingegriffen werden, wobei hohe Anforderungen bestehen. Denn die Wohnung als Rückzugsraum und Teil der Privatsphäre soll – von Ausnahmefällen abgesehen – gerade auch vor staatlichen Beeinträchtigungen geschützt werden. Dabei legt Art. 13 Abs. 2 – Abs. 7 Grundgesetz nicht nur fest, „wann“ in die Unverletzlichkeit der Wohnung, sondern auch „wie“ eingegriffen werden darf.
Beispielsweise dürfen bei Vorliegen eines Verdachts hinsichtlich der Begehung schwerer Straftaten – nach erfolgter richterlicher Anordnung – bestimmte technische Mittel zur akustischen Überwachung eingesetzt werden (vgl. Art. 13 Abs. 3 GG). Die hohen Anforderungen an einen Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG zeigen sich hier bereits daran, dass es sich um schwere Straftaten handeln muss und es einer richterlichen Anordnung für das Einsetzen derartiger Maßnahmen bedarf. Zudem legt Art. 13 Abs. 3 GG in diesem Zusammenhang unter anderem noch fest, dass der Spruchkörper, durch den die richterliche Anordnung erfolgt, mit drei Richtern besetzt sein muss und die Maßnahme zudem zeitlich zu befristen ist.
Art. 13 Abs. 2 setzt zudem den rechtlichen Rahmen für Durchsuchungen durch die Polizei, deren Anforderungen für den Fall der Strafverfolgung in §§ 102. ff. der Strafprozessordnung (StPO) und für den Fall der Gefahrenabwehr beispielsweise in § 41 des nordrhein-westfälischen Polizeigesetzes (PolG NRW) oder in Art. 23 des Polizeiaufgabengesetzes der Bayerischen Polizei (PAG) landesrechtlich konkretisiert sind.
Infektionsschutzgesetz – darf die Polizei wegen Corona in meine Wohnung?
Die kurze Antwort lautet: In den allermeisten Fällen nein, in Ausnahmefällen dagegen schon. Diese Thematik ist auch unter Rechtswissenschaftlern jedenfalls in vielen Punkten umstritten. Wie oben bereits dargelegt, kann eine Wohnung von der Polizei nicht „einfach so“ betreten werden, da das Grundrecht der „Unverletzlichkeit der Wohnung“ aus Art. 13 Abs. 1 GG dies verbietet. Eine anlasslose Kontrolle der Einhaltung der Corona-Vorschriften ist somit unzulässig. Allerdings bestehen Ausnahmen von der „Unverletzlichkeit der Wohnung“ für bestimmte Fälle, die einen Eingriff in den Schutz der Wohnung grundsätzlich rechtfertigen. Dafür bedarf es jedoch einer gesetzlich festgelegten Ermächtigungsgrundlage.
So legt Art. 13 Abs. 7 GG fest, dass Eingriffe und Beschränkungen „auch zur Verhütung dringender Gefahren für öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere (…) zur Bekämpfung von Seuchengefahr„ vorgenommen werden dürfen. Maßgeblich konkretisiert wird die „Bekämpfung von Seuchengefahr“ in Deutschland durch das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Allerdings dürfte die Generalklausel des § 16 IfSG (ggf. auch in Verbindung mit § 25 IfSG) keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die hohen Anforderungen an das Betreten einer Wohnung durch die Polizei darstellen. Als Ermächtigungsgrundlage kommen jedoch weiterhin die entsprechenden Normen aus den Polizeigesetzen der einzelnen Bundesländer in Betracht, sofern deren strenge Voraussetzungen auch bei einem Sachverhalt aus dem Infektionsschutz vorliegen.
So hat das AG Bonn im Frühjahr 2021 in einem besonderen Fall eine Wohnungsdurchsuchung durch die Polizei wegen eines Corona-Verstoßes für rechtmäßig erklärt:
In diesem Fall feierten 27 Personen aus unterschiedlichen Haushalten – unter Verstoß gegen die zum damaligen Zeitpunkt geltenden Kontaktbeschränkungen – ein Fest. Aufgrund des Verstoßes gegen den Infektionsschutz ordnete die Polizei an, das Fest aufzulösen, wobei sie hierfür das Haus zunächst nicht betreten musste. Allerdings leisteten die Feiernden den Anweisungen der Polizei nicht Folge, sondern schlossen sich vielmehr in dem Haus ein, um das Fest – vermeintlich ungestört durch die Polizei – weiterfeiern zu können. Die daraufhin von der Polizei beantragte Durchsuchung des Hauses wurde vom zuständigen Amtsgericht angeordnet.
Das AG Bonn bejahte in seinem Beschluss die Recht- und Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung, da die Polizei die Feiernden gem. § 35 Abs. 1 Nr. 2 und 3 PolG NRW in Gewahrsam habe nehmen dürfen. Vor dem Hintergrund des damals vorherrschenden hohen Infektionsgeschehens habe es sich bei dem Fest unter Verstoß gegen den Infektionsschutz um eine Ordnungswidrigkeit mit erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit gehandelt. Die Durchsuchung sei insbesondere im Hinblick auf die gesamtgesellschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Folgen einer Ausbreitung des Coronavirus auch verhältnismäßig gewesen.
(vgl. AG Bonn, Beschluss vom 28.03.2021 – 951 XIV(L) 95/21)
Wann muss ich die Polizei in meine Wohnung lassen?
Grundsätzlich nur, wenn die Polizei einen triftigen Grund vorweisen kann. Ein solcher triftiger Grund liegt beispielsweise vor, wenn die Polizei einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss vorlegen kann, weil der Verdacht einer Straftat besteht. Im Regelfall wird die Polizei einen entsprechenden Grund haben, wenn sie eine Wohnung betreten oder durchsuchen will. Denn auch die Beamten sind geschult darin und (sollten) wissen, dass sie eine Wohnung nicht einfach so betreten dürfen.
Dennoch ist ein gesundes Misstrauen sicher nicht falsch, sodass Sie die Polizei zunächst nach dem Grund fragen sollten, sofern Ihnen dieser nicht direkt mitgeteilt wird. Sie können beispielsweise auch nach einer Kopie des Durchsuchungsbeschlusses fragen, wobei darin unter anderem der Tatvorwurf und die genauen Beweggründe für die Durchsuchung ersichtlich sein müssen sowie die Anordnung der Durchsuchung durch einen Richter.
Wichtig: Auch in Zweifelsfällen sollten Sie die Polizei zunächst in die Wohnung lassen und sich nicht wehren. Denn anderenfalls wird die Polizei einen Schlüsseldienst beauftragen bzw. die Tür gewaltsam öffnen. Machen Sie allerdings unbedingt von Ihrem gesetzlich verankerten Schweigerecht Gebrauch! Sie müssen der Polizei also keine Fragen beantworten oder Auskünfte erteilen. Zudem besteht für Sie bei der Durchsuchung keine Mitwirkungspflicht, sondern lediglich eine Duldungspflicht.
Am besten kontaktieren Sie bereits zu Beginn der Durchsuchung einen Strafrechtsanwalt und verbinden den Anwalt mit der Einsatzleitung der Polizei. Letztlich wird der Anwalt anhand der Umstände im konkreten Einzelfall entscheiden können, ob Sie gegen die Recht- bzw Verhältnismäßigkeit einer Durchsuchung Widerspruch einlegen sollten und diese im Nachhinein so gerichtlich überprüfen lassen können.
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Darf die Polizei in meine Wohnung wenn ich nicht da bin?
Grundsätzlich ja, sofern ein richterlich angeordneter Durchsuchungsbeschluss vorliegt. Allerdings steht Ihnen als Wohnungsinhaber beispielsweise gem. § 106 Abs. 1 S. 1 StPO das Recht zu, der Durchsuchung beizuwohnen. Sind Sie allerdings nicht da, so ist gem. § 106 Abs. 1 S. 2 „wenn möglich“ ein Vertreter, erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar zur Durchsuchung hinzuzuziehen. Eine Hausdurchsuchung ist also auch möglich, wenn man nicht zuhause ist.
Wann darf die Polizei in Wohnung eindringen?
Ein Eindringen in eine Wohnung durch die Polizei meint grundsätzlich ein Betreten der Wohnung ohne oder gegen den Willen des Wohnungsinhabers. Das kann dann der Fall sein, wenn sich der Wohnungsinhaber gegen ein Betreten der Wohnung wehrt oder die Polizei bewusst den Überraschungseffekt eines schnellen Eindringens in die Wohnung ausnutzen möchte, beispielsweise um sich selbst möglichst wenig in Gefahr zu bringen, wenn sie in der Wohnung einen bewaffneten Täter vermutet.
Die Polizei darf in eine Wohnung jedenfalls nur eindringen, wenn die speziellen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Voraussetzungen können sich insbesondere für den Fall der Strafverfolgung, also für den Fall, dass der Verdacht einer Straftat vorliegt und auch die weitere Durchsuchungsvoraussetzungen vorliegen, aus der Strafprozessordnung (StPO) ergeben. Zudem können sich die Ermächtigungsgrundlagen auch aus dem öffentlich-rechtlichen Gefahrenabwehrrecht ergeben. Danach kann die Polizei insbesondere zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, wenn dies zum Schutze des Einzelnen oder des Gemeinwesens erforderlich ist, in die Wohnung eindringen (vgl. § 36 PolG).
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Zusammenfassung
Die Polizei darf nicht „einfach so“ in eine Wohnung, sodass auch anlasslose Kontrollen aus Gründen der Eindämmung der Corona-Pandemie unzulässig sind. Grundsätzlich ist die Wohnung gemäß Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz „unverletzlich“ und ein Eingriff in dieses Grundrecht kann nur unter strengen Anforderungen erfolgen. Regelmäßig ist für das Betreten einer Wohnung eine richterliche Anordnung in Form eines Durchsuchungsbeschlusses erforderlich. Bei Zweifel an der Recht- bzw. Verhältnismäßigkeit sollten Sie die Polizei dennoch in die Wohnung lassen, um ein gewaltsames Eindringen der Polizei zu verhindern. Sie sollten jedoch schnellstmöglich einen Anwalt kontaktieren und gegebenenfalls mithilfe Ihres Anwalts gerichtlich überprüfen lassen, ob die Polizei im konkreten Fall Ihre Wohnung betreten bzw. durchsuchen durfte.